Europa

Brüsseler Spitze – Halbdurchlässige Transparenz als Vorgabe für Georgien

Die Gegner vom Gesetzentwurf der georgischen Regierung für mehr Transparenz ausländischer Akteure werden von westlichen Politikern energisch unterstützt, weil auch sie solch ein "russisches Gesetz" ablehnen, das von den in Moskau für Russland verhängten Vorschriften kopiert worden sei. Entsprechende Gesetze in den USA werden in Brüssel geflissentlich ignoriert.
Brüsseler Spitze – Halbdurchlässige Transparenz als Vorgabe für GeorgienQuelle: AFP © Kenzo TRIBOUILLARD

Von Pierre Lévy

Die Szenerie im georgischen Parlament wurde von den westlichen Medien ausgiebig wiedergegeben. Sie stammt vom 15. April und zeigt einen Faustkampf unter georgischen Parlamentariern. Ein Abgeordneter der EU-freundlichen Opposition versetzte einem Kollegen der Mehrheit einen heftigen Faustschlag. Dieser verteidigte einen Gesetzesentwurf, der die ausländischen Gelder, die prowestliche Medien und NGOs der "Zivilgesellschaft" erhalten, transparent machen soll. Daraufhin kam es zu einer Massenschlägerei.

Der Vorfall könnte nur eine Anekdote sein, wenn Georgien, eine ehemalige Sowjetrepublik im Kaukasus mit vier Millionen Einwohnern, nicht zu jenen Staaten gehören würde, welche die Europäische Union gerne an die bisherigen 27 Mitgliedstaaten anbinden will. Georgien erhielt im Dezember letzten Jahres den Kandidatenstatus.

Offiziell fördert und fordert die Regierung in Tbilissi offiziell diese Perspektive. Die Opposition verdächtigt sie jedoch, sie zum Scheitern bringen zu wollen und in Wirklichkeit eine diskrete Sympathie für den Moskauer Kreml zu hegen. Die Opposition behauptet, dass die Regierung ein russisches Gesetz kopieren wolle, das NGOs noch härtere Verpflichtungen auferlegt.

Die aktuelle Fassung des Textes verpflichtet Medien und NGOs, die mindestens 20 Prozent ihrer Gelder aus dem Ausland erhalten, diese Gelder öffentlich zu machen und sich als "Organisation, die den Interessen einer ausländischen Macht dient" zu erkennen zu geben – ein Etikett, das von den betroffenen Organisationen als infam bezeichnet wird. Außerdem müssten sie einen jährlichen Finanzbericht veröffentlichen.

Einer der Chefs der Alternativpresse, der sich gegen eine solche "Bedrohung" wehrte, beklagte kürzlich, dass die Verabschiedung des Gesetzes "zweifellos das Ende der unabhängigen Medien" bedeuten würde. Diese Warnung ist paradox: Wenn Medien und NGOs auf ausländische Hilfe angewiesen sind, um zu überleben, ist es fraglich, ob sie wirklich unabhängig sind – zumal diese rettenden Gelder nicht aus Bangladesch oder Simbabwe kommen.

Es herrscht also ein Machtkampf zwischen der Regierung auf der einen Seite, die hofft, ihren Entwurf bis Juni durchzubringen, und der Opposition auf der anderen Seite, die von einem EU-freundlichen Teil der Hauptstadtbevölkerung unterstützt wird. 20.000 Gegner des Gesetzes gingen am 17. April auf die Straße. Diese Gegner werden von westlichen Politikern energisch unterstützt, weil auch die ein "russisches Gesetz" anprangern, das von den in Moskau für Russland verhängten Vorschriften kopiert werde.

So bezeichnete der EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik die Absichten der georgischen Regierung als "sehr besorgniserregend" und dem Beitrittsprozess entgegenstehend, da solche Bestimmungen "nicht mit den Werten der EU in Einklang" stünden. Der Sprecher der Europäischen Kommission meinte seinerseits, dass "die Schaffung und Aufrechterhaltung eines günstigen Umfelds für Organisationen der Zivilgesellschaft und die Gewährleistung der Medienfreiheit das Herzstück der Demokratie sind. Dies ist auch für den EU-Beitrittsprozess von entscheidender Bedeutung".

In Washington, D.C. hielt man es für angebracht, noch den Senf der USA dazuzugeben, indem man dort darauf beharrt, dass ein solches Gesetz "Georgien von seinem europäischen Weg abbringen" würde.

Auch wenn sie nur eine protokollarische Funktion ausübt, bekräftigte auch die Staatspräsidentin ihrerseits ihre Ablehnung des Gesetzentwurfs der Regierung und verurteilte den Premierminister, der "unseren Weg nach Europa und die Zukunft des Landes sabotiert". Salome Surabischwili, geboren in Paris, war übrigens vor ihrer politischen Karriere in Georgien – als Außenministerin ab 2004, später Ministerpräsidentin und ab 2018 als Präsidentin von Georgien – einst die Botschafterin Frankreichs in Tbilissi.

Der deutsche Bundeskanzler, der seinen georgischen Amtskollegen in Berlin empfing, äußerte sogar den ausdrücklichen Wunsch, dass "das Parlament [in Tbilissi] unsere kritische Position berücksichtigt". Schließlich zögerte selbst der NATO-Generalsekretär nicht, obendrein noch zu behaupten, dass die Annahme dieser geplanten Bestimmungen, die NGOs zu größerer finanzieller Transparenz zu verpflichten, "allen Bemühungen um die Stärkung der demokratischen Institutionen in Georgien widersprechen würde".

Dass man in Brüssel unverdrossen versucht, Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung auch von Drittländern zu nehmen, insbesondere wenn diese eines Tages der EU beitreten sollen oder wollen, kann leider nicht überraschen. Die Flexibilität der Wahl der dafür benutzten Argumente verschlägt einem aber die Sprache.

Die Europäische Kommission verlangt etwa, dass Vereine und Medien, die westliche Gelder erhalten, nicht zur finanziellen Transparenz verpflichtet werden, geht aber gleichzeitig gegen Moskau vor, das beschuldigt wird, die 27 EU-Mitgliedstaaten durch berüchtigte Einflusskampagnen destabilisieren zu wollen. So hat die Kommission im Dezember 2023 eine Richtlinie "für Medienfreiheit" auf den Weg gebracht, die unter anderem darauf abzielt, solche Kampagnen zu vereiteln.

Unter diesem verführerischen Titel finden sich etwa auch Bestimmungen, um russische Versuche durch die Einführung von Transparenzpflichten zu vertreiben. Die für "Werte und Transparenz" zuständige EU-Kommissarin und Vizepräsidentin der Kommission, die Tschechin Věra Jourová, begründete den Richtlinienentwurf mit dem Ausruf: "Es ist höchste Zeit, den geheimen ausländischen Einfluss ans Licht zu bringen."

Zwar waren die Nachrichten damals von der Enthüllung der Bestechung hochrangiger Abgeordneter des Europaparlaments durch Katar und Marokko geprägt. Doch für Frau Jourová war der wahre Feind offensichtlich ein anderer:"Wir dürfen nicht zulassen, dass Putin oder ein anderer Autokrat sich heimlich in unseren demokratischen Prozess einmischt. Wir werden die Bedrohung von ausländischer Einmischung durch die Verabschiedung eines neuen Gesetzes, das Transparenz vorschreibt, bekämpfen." Der französische Minister für europäische Angelegenheiten erklärte seinerseits gerade mit wahrscheinlich unbeabsichtigtem Humor: "Wir werden derzeit von der Propaganda von Wladimir Putins Russland und seiner Transmissionsriemen bombardiert."

Unter diesen Bedingungen, meint die Vizepräsidentin der Kommission, "wäre es naiv zu glauben, dass die Demokratie keinen Schutz braucht". Dies ist genau die Argumentation, die von der georgischen Regierung zur Rechtfertigung ihres Projekts vorgebracht wird, die Brüssel aber je nach Kontext entweder hochhält oder bekämpft. Die EU-Mitglieder Ungarn und die Slowakei werden von der EU stigmatisiert, weil sie Gesetze verabschiedet haben, die Transparenz in Bezug auf westliche Subventionen vorschreiben.

Offensichtlich aber sieht man in Brüssel jedoch derzeit nur noch die Jagd nach Rubel als gerechtfertigt an. Der Richtlinienentwurf sieht vor, dass NGOs und Medien aus Nicht-EU-Staaten die jährlich erhaltenen Beträge, die betroffenen Drittländer und die Hauptziele der finanzierten Aktivitäten veröffentlichen müssen, indem sie sich in einem öffentlichen Register registrieren lassen – was sogar strengere Bestimmungen sind, als sie der Entwurf der georgischen Regierung vorsieht.

Eine "unabhängige" Behörde könnte jedoch bestimmte Akteure von diesen Verpflichtungen befreien. Nur böswillige Geister könnten auf die Idee kommen, dass die glücklichen Nutznießer dieser Ausnahmen ihren Sitz in der Nähe von Washington haben könnten.

Im Übrigen ist zu beachten, dass die USA seit 1938 über strenge Gesetze verfügen, um vom Ausland finanzierte Agenten aufzuspüren. Die Empörung in der Europäischen Union darüber steht noch aus.

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